Spieler Horst & Keseling im Gespräch mit der Fanszene / Stellungnahme

Hallo liebe 05er,

am Donnerstag den 16.02.2012 kam es nun zum lang erhofften Treffen zwischen den Spielern Christian Horst, Julian Keseling und Vertreter/innen aus der 05er Fanszene, wo über die rassistischen Äußerungen beim Spiel gegen Cloppenburg im Dezember 2011 diskutiert wurde.  Hier nun die Stellungnahme der Fanszene:


Stellungnahme von Vertreter/innen der Göttinger Fanszene

Am vergangenen Donnerstag hatten sechs Personen unserer Fanszene (endlich) die Gelegenheit mit den Spielern Julian Keseling und Christian Horst ein Gespräch über die gegen Sie getätigten Rassismusvorwürfe, das mittlerweile gefällte Urteil und die Haltung großer Teile der Szene zu diesen Themen zu führen.
Aus unserer Sicht fand dieses Gespräch leider sehr spät statt, da das Unbehagen innerhalb der Fanszene über den Vorfall und über die scheinbare Ohnmacht des Vereins gegenüber den immer wieder aufflammenden Rassismusvorwürfen, stetig wuchs. Auch hätten wir uns ein aktives Zugehen der Spieler auf uns zu einem früheren Zeitpunkt gewünscht, auch wenn es mit Einzelpersonen kurze Gespräche darüber gab.
Das Gespräch fand im Beisein von Burkhard Bartschat (1. Vorsitzender), Jan Steiger (Teammanager) und zeitweise Jelle Brinkwerth (Trainer) in offener und konstruktiver Art statt.
Als Einführung wurde von allen Seiten unser Engagement im Bereich des Antirassismus, Antifaschismus, Anti-Homophobie etc. hervorgehoben und gelobt. Der Verein stellte klar, dass wir uns in diesen Bereichen zu 100% ihn verlassen können und der RSV Göttingen 05 keine Art von Diskriminierung toleriert.
Von Anfang an hatten wir das Gefühl sehr ernst genommen zu werden und wurden ermuntert jede Art von Frage stellen zu können und jeden Vorbehalt äußern zu dürfen.
Wir schilderten wie sehr uns die Angelegenheit mittlerweile sogar im Alltag, im Freundeskreis und in unserem Engagement für den Verein verfolgt und belastet. Wir halten „Kein Bock auf Rassismus“ eben nicht nur auf einer Papptafel hoch, sondern wir werden weiterhin aktiv gegen Rassismus und jegliche Art von Diskriminierungen vorgehen.
Die sichtlich betroffenen Spieler beschrieben sowohl ihre Sicht der Dinge und die gefallenen bzw. nicht gefallenen Äußerungen rund um das Spiel, als auch die Zeit danach und ihre Befürchtungen, sei es in privater oder sportlicher Natur.
Beide Spieler haben laut ihren Angaben versucht das klärende Gespräch mit Lincoln Assinouko zu suchen, um sich im Fall Julian Keseling zu entschuldigen und die Hand zu reichen, und im Fall Christian Horst die Frage zu stellen, warum Christian überhaupt in diesem Zusammenhang erwähnt wurde. Diese Versuche waren leider nicht von Erfolg gekrönt, ebenso wie eine angedachte Aussprache auf „halber Strecke“. Wir hätten uns gewünscht wenn ein solches Gespräch zustande gekommen wäre.
Aus unserer Sicht stellte sich in unserem Gespräch relativ schnell heraus, dass Christian Horst mit den ihm gegenüber geäußerten Vorwürfen nichts zu tun hat bzw. wir seinen Angaben zu den Vorfällen Glauben schenken. Eine Berufungsverhandlung wird den Tatsachen in diesem Fall hoffentlich Rechnung tragen und Christian entlasten bzw. freisprechen.
Julian Keseling räumte erneut ein, einen großen Fehler gemacht zu haben, ihm sei da „etwas raus gerutscht“ was weder auf dem Fußballplatz noch sonst irgendwo etwas zu suchen habe. Allerdings wurden das in der Presse ihm zugesprochene Zitat „in unserem Land hast Du nichts zu suchen“ vehement abgestritten. Diese Worte seien a) nicht von ihm gefallen und b) wurden dementsprechend auch nicht bei der Anhörung zugegeben.
Nicht falsch verstehen, wir wollen hier nichts, aber auch gar nichts relativieren und finden die getätigte Aussage: „Verpiss Dich Du schwarzes Schwein“ zum kotzen und mit unseren Werten und Normen nicht vereinbar.
Allerdings kann ein vernünftiges Urteil über die Angelegenheit an sich und die möglichen Konsequenzen (z.B. „sofortiger Rausschmiss“) nicht gefällt werden können, ohne das Einholen der Meinung darüber und die schon jetzt sichtbaren Folgen für den oder die Spieler zu berücksichtigen. Julian Keseling wird gesperrt bleiben, das ist auch gut und richtig so! Inwieweit eine Berufung ein negatives Licht auf Julian wirft bleibt jedem selbst überlassen, wir haben es so empfunden, dass er hierbei das sportliche im Vordergrund sieht und für den Verein und die Fans da sein möchte.
Beiden Spielern ist der politische Anspruch und die politische Ausrichtung der aktiven Fanszene durchaus bewusst und sie tragen diese, zumindest in Teilen, mit.
Wir hatten nicht den Eindruck, dass Julian oder Christian „rassistisches Gedankengut“ in sich tragen, wenn gleich uns natürlich auch klar ist, dass uns dieses (falls vorhanden) sicherlich nicht in´s Gesicht gesagt worden wäre. Die Teilnahme der Mannschaft an Aktionen (wie „Fußball für Alle!“ im Rahmen der Fare-Action-Week) unterstreicht dies. Zudem sind beide Spieler anerkannte und gewählte Mitglieder des Mannschaftsrates einer Mannschaft, in der viele Menschen mit Migrationshintergrund spielen. Diese Mannschaft scheint geschlossen hinter beiden Spielern zu stehen.
Es bleibt natürlich jedem auf der Gegengeraden oder im Alltag selbst überlassen, wie sie/er sich zukünftig äußert oder verhält, welche Meinung sie/er sich selbst bildet. Es wird sich nicht verhindern lassen, dass es weiterhin völlig gegensätzliche Meinungen zu diesem hochbrisanten Thema gibt und das ist auch gut so!
Die Hoffnung, die wir hegen ist, dass ein bisschen Ruhe in der Angelegenheit einkehrt und wir unsere Energie wieder mehr dem positiven Engagement für den Verein und insbesondere der Fanszene widmen können.

In dieser Situation zu einem zufriedenstellenden Ergebnis für alle Seiten zu kommen scheint uns schier unmöglich. Wir möchten nochmals ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir eine Strafe für rassistisches Verhalten für vollkommen gerechtfertigt halten. Das Gespräch mit den beteiligten Spielern, die Tatsache sich diesem überhaupt gestellt zu haben und die Einsicht von Julian einen eigentlich unentschuldbaren Fehler begangen zu haben lassen uns zu dem Schluss kommen, dass wir ihm eine zweite Chance zugestehen wollen. Es ist wohl allen klar, dass er in Zukunft unter einer besonderen Beobachtung auch von Seiten der Fanszene stehen wird. Wir hoffen, dass diese beschissene Geschichte dazu geführt hat, den Verein, die Mannschaft, die Fans und Zuschauer_innen für dieses hochbrisante Thema zu sensibilisieren. Wir wünschen uns, dass in Zukunft sowohl auf dem Platz als auch im Stadion ein Klima herrscht in welchem Rassismus keinen Platz hat!

Vertreter/innen der Göttinger Fanszene im Februar 2012

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