Spitzenreiter für eine Nacht
Obwohl das Spiel erst um 18 Uhr angepfiffen wurde, stand die, sonst so liebevoll besungene, Göttinger Sonne mit sengenden 30 Grad im Schatten über dem Jahnstadion. Schatten war allerdings sowohl für die Spieler als auch die 525 hartgesottenen Zuschauer eher Mangelware. Nicht umsonst zogen die Trainerbänke in die gnädige Kühle der Haupttribüne um. Es war also von Anfang an klar, dass an diesem Tag keine konditionellen Meisterleistungen zu erwarten waren.
Im Eingangsbereich machten gleich zwei Publikationen mächtig Eindruck. Neben dem neugestalteten und nun auch gänzlich in Farbe gedruckten Stadionheft, bereichert neuerdings das, mit 12 Seiten noch recht übersichtliche, aber inhaltlich sehr ambitionierte, Fanzine „Guerillera“ der 05er ULTRAs der Rasensport Guerilla den Heimspieltag. Die Gegengerade selber wirkte etwas gebeutelt, was wohl dem gleichzeitig stattfindenden Jubiläumsfest zum 30jährigen Bestehen des JUZI (Jugendzentrum Innenstadt) geschuldet war. Um diesem Ereignissen zu huldigen fand auch in der 60. Spielminute eine Choreo mit zwei Transparenten statt. An dieser Stelle: Alles Gute, JUZI!
Das Spiel begann zügig, als 05-Veteran Özkan „Ötze“ Beyazit in der 2. Minute mit einem Distanzschuss aus etwa 20 Metern knapp über die Latte zog und ein erstes Zeichen setzte. Leider verflachte das Spiel danach schnell in einen, von vielen spielerischen Unsicherheiten auf beiden Seiten geprägten, „Sommerkick“. Insbesondere in der gegnerischen Hälfte wollte den 05ern nichts recht gelingen. Viele Pässe in die Spitze gingen ins Leere. Auch die Bemühungen von Jan-Henrik Matthes und Mazlum Dogan das Spiel immer wieder schnell zu machen, zeigten im Abschluss keinen Erfolg. Im Gegenzug lief bei den Gästen in den roten Trikots jedoch auch nicht viel zusammen. Germania gelang es zwar hin und wieder ihren schnellen Stürmer Sebastian Bönig mit langen Pässen ins Spiel zu bekommen. Der erneut souverän auftretende Nils Holzgrefe im Tor der Göttinger war jedoch stets die Endstation an der Strafraumgrenze.
Das Spiel war nun zunehmend von Ruppigkeiten geprägt. Nach einem Foul in 18. Minute an Andreas Baranek blieb der Freistoß aus gut 40 Metern in der Mauer hängen. Der Nachschuss landete bei Holzgrefe. Nach einem Foul an Mazlum Dogan köpfte Christoph Meyer in der 27. Minute nur knapp am Tor der Gäste vorbei. Christian Horst trat fünf Minuten später einen Freistoß in die Arme von Gästekeeper Julian Lenz.
Schließlich kam es aber so, wie es immer kommen muss, wenn Standards das Spiel der 05er beherrschen. Irgendwann lag der Ball in der idealen Entfernung für Goalgetter Özkan Beyazit. Nach einem, mit gelber Karte geahndeten, Foul an Patric Förtsch durch Jan Bassler, schlägt „Ötze“ den Ball aus etwa 25 Metern an der Mauer vorbei aufs kurze Eck. Es steht 1:0 für den RSV.
Im Anschluss verpasst Özkan Beyazit einen, von Jan-Henrik Matthes geschlagenen, Freistoß von weit rechter Position mit dem Kopf nur knapp.
Nur eine Minute später entsteht eine brandgefährliche Situation im Strafraum der 05er, als Torwart Holzgrefe ein, von Lukas-Jonathan Kelle scharf geschossener, Ball aus den Händen gleitet. Glücklicherweise verzieht der, gerade erst eingewechselte, Tim Borowsky den Nachschuss.
Bei einem sehenswerten Dribbling von Jan-Henrik Matthes und „Ötze“ in der gegnerischen Hälfte kann nur die zu geringe Torhöhe die Gäste vor einem deutlicheren Rückstand retten.
Leider sieht Patric Förtsch kurz vor der Pause noch eine gelbe Karte für ein erfolgloses Tackling.
Zur Halbzeit eine kurze Reise in die Geschichte des Gastvereins:
Der 1.FC Germania Egestorf-Langreder ist in dieser Konstellation ein sehr junger Verein und wurde am 1. Juli 2001 in einer Fusion der Fußballabteilungen des TSV Egestorf e.V. und des TSV Langreder e.V. gegründet. Beide Vorläufervereine waren fußballerisch im Amateurbereich nur leidlich erfolgreich. Mit dem Zusammenschluss knüpft der 1.FC Germania Egestorf-Langreder wieder an die Tradition des 1912 gegründeten Fußballclubs Germania Egestorf an. Binnen elf Jahren stieg der Verein aus der Bezirksliga Hannover 1 in die Oberliga Niedersachsen auf, wo er seine erste Saison als Liganeuling bestreitet.
Die zweite Hälfte hatte kaum begonnen, und die Fans der Gegengerade waren nicht einmal vollständig aus dem Schatten der Sonnenschirme hervor getreten, als „Ötze“ in der 47. Minute seine ganze Schlitzohrigkeit ausspielte und einen perfekten Pass mitnahm, um ihn mit viel Gefühl über den heraus laufenden Gästetorwart zu lupfen. Es stand 2:0 und Erinnerungen an ein nahezu identisches Tor im Testspiel gegen den VfL Wolfsburg wurden wach.
Zwei Minuten später wurde es im Göttinger 16er nach einem Freistoß richtig gefährlich, als Dennis Zeibig den Anschlusstreffer auf der Linie abwehren musste und der Nachschuss nur knapp über das Tor ging
Mit dem wachsenden Schatten auf dem Spielfeld stieg auch die Torgefährlichkeit der Göttinger. Dennis Zeibig und Philipp Bruns konnten jedoch im weiteren Verlauf ihre Chancen nicht nutzen.
In der 54. Minute blieb bei den Gästen Sebastian Bönig nach einem regulären Tackle liegen und musste ausgewechselt werden. Germania-Spieler Patrick Schiermeister und Dennis Zeibig wurden nach Fouls jeweils mit einer gelben Karte verwarnt.
In der 66. Minute wurde es erneut eng vor dem Tor der 05er als alle Anwesenden am Ball vorbei traten. Glücklicherweise auch die Gäste. Gut fünf Minuten später wurde Mazlum Dogan nach viel Laufarbeit ausgewechselt und Christian Spohr betrat den Rasen. Er kam mitten in eine Sturm-und-Drang-Episode der Germania, die nun noch einmal alle Kräfte mobilisierte, um den Anschluss nicht zu verlieren. In der 72., 78. und 82. Minute konnte Nils Holzgrefe noch Schüsse der Gäste abwehren, aber einem von Sascha Derr schön mit der Hacke durchgesteckten Pass und dem nachfolgenden Schuss von Lukas-Jonathan Kelle konnte auch er dann nichts mehr entgegen setzen. Es stand 2:1 in der 88. Minute und die Nerven begannen ein wenig zu flattern. Die Gäste witterten Morgenluft. Inzwischen hatte 05-Trainer Jozo Brinkwerth Julian Keseling für Dennis Zeibig und Nikolaj Streater für Patric Förtsch gebracht. Es galt schließlich drei Punkte zu sichern. So sprang am Ende für die Gäste nicht mehr als eine gelbe Karte wegen Meckerns für Sascha Derr heraus.
Der Schlusspfiff kam in doppeltem Sinne erlösend. Zum einen hatte der RSV mit sieben Punkten aus drei Spielen immerhin für eine Nacht die Tabellenspitze erobert, zum anderen konnten Spieler und Fans nun endlich kühlere Lokationen aufsuchen. Doppeltorschütze „Ötze“ ließ es sich nicht nehmen, die Gegengerade mit einer Dusche aus einem Wassereimer vom Spielfeldrand zu erfrischen. Die Party im JUZI konnte weiter gehen…
(Text by Dirk LaFamilia unbedingt anklicken!)
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